Frag Verena: Kinder und Beruf vereinen – so war es damals.

Anett hat mir eine Frage gestellt dazu, wie man allein erziehend mit Kindern zurecht kommt. Ein ebenso komplexes wie interessantes Thema:

Liebe Verena,
Was mich interessieren würde: Du warst berufstätig und alleinerziehend in einer Zeit, als das noch sehr ungewöhnlich war. Heute ist es ja vielfach die Regel, aber viele Frauen leiden unter der hohen Belastung, die das mit sich bringt. Was kann ich tun, um alles unter einen Hut zu kriegen und meinen Kindern und meinem Job gerecht zu werden? Ich denke oft, dass ich das nicht schaffe…
Danke für deinen Blog, ich freue mich über die vielen Tipps und Anregungen!
Hast du Tipps für mich?
Viele Grüße und weiter so!

Anett

Liebe Anett,

danke für Deine Anfrage. Sie umfasst zwei Themenkomplexe und so habe ich auch zwei Antworten für dich. Heute den ersten Teil, in dem ich erzählen will, wie es einem zu meiner Jugend erging, wenn man ein uneheliches Kind erwartete.

Als der Arzt 1954 feststellte, dass ich im 4. Monat schwanger war – ich weilte gerade zu Besuch bei meiner Mutter in Deutschland – brach für sie eine Welt zusammen. Auch ich stand unter Schock. In dieser Situation verlangte meine Mutter von mir, dass ich verschwinde, auf irgendeinen Bauernhof. Niemals dürfe jemand von der Existenz des Kindes erfahren und ich dürfe auch kein Bild des Kindes bei mir haben. Zunächst war ich wie hypnotisiert und fügte mich.

Düstere Zukunftsaussichten

Doch der Aufenthalt auf dem Bauernhof kam nicht zustande und so kehrte ich in meine kleine „chambre de bonne“ nach Paris zurück. Mein Leben verdiente ich mir beim Putzen von Neubauten und hatte zudem das Glück, dass der französische Staat Schwangere grosszügig unterstützte. Da ich mir nicht viel zum Essen leisten konnte und mein Kind trotzdem gut ernähren wollte, ass ich beispielsweise rohe Leber. Im 8. Monat fand ich die Adresse einer Frau, die Schwangere und behinderte Kinder aufnahm. So zog ich nach Vence und konnte mein Kind in Antibes zur Welt bringen.

Meine Zukunft sah düster aus: Ein Kind, keinen Beruf, kein Geld und somit keine Existenzgrundlage. Meine Mutter schrieb mir zur Geburt, dass ich, um das Wohl des Kindes willen, dieses zur Adoption freigeben soll. Das kam nicht in Frage, denn das Kind machte mich glücklich. Einmal jedoch war ich so verzweifelt, dass ich mit dem Kind am Wasserreservoir sass, um dort unserem Leben ein Ende zu setzen.

Einspringen für den Vater

Zu dieser Zeit erkrankte mein Vater in der Schweiz und wollte mich noch einmal vor seinem Tode sehen. Schweren Herzens verliess ich mein Kind und reiste in die Schweiz. In der noch jungen Firma meines Vaters musste es trotz seiner Erkrankung weiter gehen, und es drängte sich geradezu auf, dass ich einspringen sollte. So fiel mir die Rolle der Vertreterin zu.

Der Anfang war sehr schwer, musste ich doch den Traum vom bäuerlichen Leben aufgeben. Die Vernunft sagte ich mir, dass sich mir so die Möglichkeit bot, mein Kind zu ernähren, drum fand ich mich mit der neuen Situation ab. Mein Kind sah ich nur alle paar Monate und immer wieder schrie ich im Schlaf nach meinem Kind.

Wie ich das rückblickend sehe

Was ich in jener Zeit erlebt und durchgemacht habe, akzeptiere ich als einen Teil meines Lebensweges und meiner Entwicklung. Vergangenem jammere ich nicht nach; was mir daran nicht gefällt, versuche ich, besser zu machen. Auch meiner Mutter habe ich längst verziehen. Sie war ein Opfer ihrer Erziehung, der gesellschaftlichen Normen, wer immer sie auch aufgestellt hat. Als meine Mutter meine Kinder kennenlernte, hatte sie viel Freude an ihnen.

Liebe Anett, so war es damals. Heute ist die Situation eine andere; darauf gehe ich demnächst genauer ein.
Sei herzlich gegrüßt von

Verena

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