Dieser Tage bin ich in die Bretagne gefahren und habe auf dem Weg dahin Paris durchquert. Dabei kamen Erinnerungen auf, von denen ich euch heute erzählen möchte. Denn ich habe in Frankreich gelebt, kurz nach dem Krieg. Es war eine Zeit, die mich geprägt und mir viele neue Einsichten und Erfahrungen beschert hat.
Auf in die Normandie!
Als frischgebackene staatlich geprüfte Landwirtin hatte ich im Nachkriegsdeutschland kaum eine Chance auf eine Anstellung und so beschloss ich, mein Glück im Ausland zu versuchen, zumal das auch eine Gelegenheit war, die Welt zu sehen und Sprachen zu erlernen. Da in Frankreich damals Arbeitskräfte gesucht waren, bewarb ich mich dort um einen Posten in der Landwirtschaft. Aufgrund meiner Zeugnisse wollte man mich als Melkerin vermitteln. Meinen Einwand, dass ich wegen einer Fingerverletzung nicht mehr so gut melken konnte, tat man mit der großspurigen Behauptung ab, dass in Frankreich jeder Bauer, und hätte er auch nur vier Kühe, eine Melkmaschine besäße. Unter diesen Voraussetzungen nahm ich eine Stelle in der Normandie an.
Schnaps trinken wie Wasser
Alle, denen ich erzählte, dass ich in den Calvados ginge, sagten mir lachend, dort tränke man den berühmten gleichnamigen Schnaps wie – und anstelle von – Wasser. Ich kam bei der Bauernfamilie an und wurde herzlich empfangen. Zu den gemeinsamen Mahlzeiten wurde allen eine klare Flüssigkeit eingeschenkt, so auch mir. Aber während die anderen munter davon tranken, lehnte ich ab. Da ich kein Französisch konnte, wehrte ich mich nicht mit Worten, sondern buchstäblich mit Händen und Füssen. Ich wollte diesen Schnaps absolut nicht trinken. Am dritten Tag zwang man mich fast dazu. Mit Todesverachtung setzte ich das Glas mit der klaren Flüssigkeit an meine Lippen – und was war es? Reines Leitungswasser.
Man soll nicht alles glauben, was einem erzählt wird.
Im Stall standen stolze 24 Kühe, aber eine Melkmaschine gab es nicht, so konnte ich meine Arbeit nicht erledigen und nach vier Wochen schickte man mich zurück zur Arbeitsvermittlung.
Die Begegnung mit fremden Menschen, Ländern und Kulturen ist voller Überraschungen und führt uns häufig unsere Vorurteile vor Augen. Solche Erfahrungen machen uns weltoffen und bereichern unser Leben. Habt ihr das auch schon so erlebt? Ich freue mich auf Eure Geschichten.