Seit ich selbst darauf aufmerksam gemacht wurde, wie leichtfertig ich manchmal mit Sprache umgehe, achte ich besser darauf. Es fällt mir aber auch bei anderen auf, und so möchte ich euch heute ebenfalls für dieses Thema sensibilisieren.
Vor vielen Jahren stellte ich am 2. Januar fest, dass die Gutschriften unserer Kunden nicht auf den Monatsrechnungen aufgeführt waren. Ich rief den verantwortlichen Mitarbeiter an, um ihn in die Firma zu zitieren, damit er seinen Fehler behebe. „Das ist eine Katastrophe!“, sagte ich aufgebracht. Er ging gar nicht erst auf den Sachverhalt ein, sondern entgegnete nur: „Eine Katastrophe ist, wenn ein Auto mit fünf Insassen abstürzt.“ Eine Antwort, die mich einigermaßen verwunderte, denn ich hätte in dieser Situation eher eine Entschuldigung erwartet – und nicht damit gerechnet, meinerseits zurechtgewiesen zu werden.
Ein Verkehrsunfall mit tödlichen Folgen
Der Mitarbeiter kam also ins Büro und versuchte, den Fehler zu beheben. Während er arbeitete, nahm er ein Telefonat entgegen, legte auf und sagte zu mir: „Sie lebt noch.“ Wie er mir daraufhin berichtete, hatte seine 16-jährige Nichte gerade einen schweren Unfall erlitten. Sie war mit vier anderen jungen Menschen auf dem Weg zu einem Skirennen, als eine Hirschkuh in ihr Auto rannte. Der Wagen geriet ins Rutschen, stürzte auf der vereisten Straße ab und alle fünf Insassen wurden schwer verletzt, die Nichte am schwersten. Wie ich damals erfuhr, gibt es eine Vorschrift, der zufolge die am schwersten Verletzten zuletzt gerettet werden. So grausam es auch erscheint, macht diese Regelung doch Sinn: Zum einen retten die Helfer zunächst die, bei denen die Überlebenschancen am grössten sind. Zum anderen wird ihnen durch diese Regelung eine schwierige Gewissensentscheidung abgenommen, die sie zu ihrer schweren Aufgabe noch zusätzlich belasten würde. Die junge Frau hatte auch dadurch keine Chance; sie erwachte nicht mehr aus dem Koma und erlag später ihren Verletzungen.
Missgeschicke sind keine Katastrophen
Seit diesem Tag gebrauche ich das Wort Katastrophe nicht mehr so leichtfertig. Denn „Katastrophe“ bezeichnet ein folgenschweres Unglück, nicht eine Kleinigkeit, die gerade nicht nach unserem Gusto ist. Wenn mir heute jemand erzählt, es sei eine Katastrophe, dass das Tram Verspätung hat oder die bestellte Ware nicht rechtzeitig eingetroffen ist, dann sage ich, wie damals mein Mitarbeiter: „Eine Katastrophe ist etwas anderes.“ Man sollte froh sein, wenn aus einem Missgeschick nichts Schlimmeres wird.
„Worte sind Taten“ lautet ein Sprichwort. Die Sprache beeinflusst unser Denken und formt unser Handeln. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns darüber klar sind, was Worte wirklich aussagen, und sie mit Bedacht und Bewusstheit wählen.
Ich möchte euch dazu einladen, in den nächsten Tagen ganz bewusst auf die Wörter und ihre Bedeutung zu achten – bei euch selbst und auch bei anderen. Was beobachtet ihr? Was fällt euch auf? Ich kann euch versprechen, dass ihr Spannendes zutage fördern werdet. Und vielleicht habt ihr ja auch Lust, eure Erfahrungen mitzuteilen? Das würde mich sehr freuen!